Berlin, Du bist so armselig!

Und nun noch einmal kurz zu meinem Lieblingsthema dieser Woche. Es geht um den Mietendeckel in Berlin, der seit vergangenem Montag gilt. 

 

In den Augen vieler Berliner ist jeder, der eine Wohnung sein Eigentum nennt, ein Bonze. Ein Immobilienhai und ein Blutsauger. Das kann man so sehen, ist aber falsch. Denn ein großer Teil der Berliner Mietwohnungen gehören nicht den verhassten Konzerne, die mit Wohnungen spekulieren, sondern Privatpersonen, die vielleicht (wie ich) sie als Altersvorsorge gekauft haben, bezahlt nicht etwa aus der Portokasse, sondern mit dem Darlehen einer Bank. Die Wohnungen gehören Menschen, die sich vielleicht den dritten Hipster-kaltgepressten-Kaffee am Tag oder das zweite Bier am Abend gespart haben, um das Geld in die Wohnung zu stecken, auf dass sie im Alter sorgenfreier Leben können - und gleichzeitig anderen ein Dach über dem Kopf geben. Win-Win-Situationen heißen solche Arrangements. Denn unter einem Berg Pfandflaschen von den Bieren des Vorabends wohnt es sich nun mal schlecht. 

 

Ich kenne die Situation auf dem Berliner Immobilienmarkt relativ gut, aus Eigeninteresse, aber noch mehr, weil ich mehrere Jahre darüber als Journalist für ein Wirtschaftsmagazin berichtet habe. Ich kenne auch die galoppierenden Mieten, die sich binnen weniger Jahre verdoppelt haben. Die Entwicklung war nicht gut, keine Frage, auch wenn ich als Vermieter natürlich davon hätte profitieren können. Habe ich aber nicht. Wie viele andere private Vermieter auch. 

 

Als ich meine Wohnung im Jahr 2017 vermietet habe, waren bei uns im Haus und in der Straße 13,50 Euro pro Quadratmeter üblich. Die Wohnung liegt in Friedrichshain, einem sogenanntem Szenekiez. Altbau mit Macken, dafür mit Charme, knapp 80 Quadratmeter. Dielenboden, Einbauküche und im Wohnzimmer habe ich einen Kamin für kalte Winterabende einbauen lassen. Ach ja, und einen sonnigen Balkon zum ruhigen Innenhof hat sie auch. Als ich noch in der Wohnung wohnte, habe ich mich sehr wohl gefühlt. 

 

Eines Tages fragte mich ein junger Kollege, ob meine Wohnung zu mieten sei. Er wolle mit seiner Freundin zusammenziehen, aber in Berlin sei es unmöglich eine bezahlbare Wohnung zu finden. Und tatsächlich, ich hatte die Wohnung gerade befristet und möbliert vermietet, demnächst würde der Mieter ausziehen. Es gebe nur ein Problem, sagte der junge Kollege. Sie könnten nicht mehr als 1000 Euro zahlen, inklusive aller Nebenkosten.

 

Weil ich ihn sehr mag und schätze, kalkulierte ich. Für mich war es wichtiger, nette und unkomplizierte Mieter zu haben, als womöglich auf Mietnomaden oder Messis hereinzufallen. Und so zog ich von 1000 Euro alle möglichen Nebenkosten ab und kam auf einen Betrag, der ziemlich genau meine laufenden Kosten für Zinsen, Tilgung und das Wohngeld deckt. Dummerweise vergaß ich Posten wie Grundsteuer, Schornsteinfeger oder etwaige Reparaturen. Geschenkt, ich hatte eine gute Festanstellung als Reporter.

 

Von den Mieteinnahmen fließt aber nichts in mein Portemonnaie, dafür zur Bank. Natürlich zahlen die Mieter damit meinen Kredit ab. Aber langsam, ganz langsam. Die Summen sind deutlich geringer, als die meisten Claqueure dieses unglaublich dummen Mietendeckels wahrscheinlich glauben. Warum der Mietendeckel gerade für die Mieter auf lange Sicht unglaublich dumm ist, darauf gehe ich später gerne ein.

 

Vielleicht können konkrete Zahlen helfen: Für die Wohnung bekomme ich 750 Euro Miete - kalt. An die Bank überweise ich jeden Monat 656 Euro für die Darlehen, die Tilgung liegt bei rund zwei Prozent. Das heißt, rund die Hälfte des Betrags sind Zinsen. Und damit weg. Weitere 191 Euro zahle ich jeden Monat Wohngeld, also Nebenkosten, von denen ein Teil, beispielsweise Wasser oder Müllabfuhr, auf die Mieter umgelegt werden kann, aber eben nicht alles. Konkret: 70 Euro bleiben am Vermieter hängen. Da sind wir schon bei knapp 730 Euro, also fast dem Betrag, den die Mieter an mich zahlen.

 

Hinzu kommen die oben erwähnten Posten, die ich bei der Kalkulation beiseite gelassen hatte, plus gegebenenfalls Sonderzahlungen für die Instandhaltung des Gebäudes. Das kann schon mal bei einem Altbau in den vierstelligen Bereich gehen, wie kürzlich die Dämmung der Fassade. Andere Kosten fallen zudem in der Wohnung an. Wie Gasttherme reinigen: 200 Euro weg. Neues WC samt Einbau: Zack, wieder 450 Euro weg. Um auf den Punkt zu kommen: Die Wohnung macht aus mir keinen Bonzen, sie kostet mich sogar Geld. Aber, und auch das ist klar, sie wird später einmal Teil meiner Altersvorsorge sein. Zumindest war das einmal der Plan. Ob er noch umsetzbar ist, steht seit Montag in den Sternen. Danke M…üller! (Kaum einer kennt ihn, aber so heißt der Regierende Bürgermeister von Berlin wirklich, übrigens SPD)

 

Es ist vollkommen klar, dass ich beim Mietendeckel parteiisch bin, ein Eigeninteresse habe. Aber als Journalist habe ich auch gelernt, jede Entwicklung, jedes Phänomen von möglichst allen Seiten zu betrachten. Die simpelste Fragen, die man immer stellen muss, lautet: Cui bono? Wem nutzt es?

 

Das Gesetz klingt erst einmal super! Der Senat bestimmt, dass die Mieten gedeckelt werden. Nutznießer: Jeder Mieter! Und das sind in Berlin viele. Sehr viele sogar. Wie gesagt, als ehemaliger Journalist habe ich manchmal immer noch den Impuls, Emotionen durch Fakten zu belegen, von daher hier noch einmal ein paar Zahlen. Deutschland liegt bei der Wohneigentumsquote laut Destatis in Europa hinten. Nicht irgendwo hinten, sondern ganz hinten. Spitzenreiter ist übrigens, fand ich selber überraschend, Rumänien mit 95,8 Prozent, dann kommen alle anderen Länder, und endlich, auf Platz 30 dann abgeschlagen Deutschland mit 51,1 Prozent.

 

Nächste Statistik, wiederum Destatis: Mal schauen, wie sich die Quote unter den deutschen Bundesländern verteilt? Spitzenreiter ist das Saarland mit 64,7 Prozent, es folgen Rheinland-Pfalz (58 %) und Niedersachsen (54,2 %). Selbst das Berlin umschließende Brandenburg hat 47,8 Prozent. Und die sexy Bundeshauptstadt: Ach ja, da unten, das Schlusslicht mit 17,4 Prozent. Warum der Berliner sich scheut, in seine Zukunft zu investieren, möchte ich nicht wagen zu beurteilen. Aber darauf erstmal ein Sterni!

 

Cui bono? Wenn man mit einem Gesetz plötzlich 83 Prozent der Bevölkerung befriedigt, ist das ein Coup sondergleichen. Chapeau! Und wie kann man das Volk besser ködern, als mit Kohle? Geschenke verteilen macht eben Spaß, besonders wenn andere sie bezahlen. Da macht es auch nichts, wenn der Senat ansonsten nicht sonderlich erfolgreich ist. Und huch, nächstes Jahr ist zufälligerweise Wahl…

 

Apropos "nicht sonderlich erfolgreich": Wieso sind eigentlich in Berlin die Mieten so wahnsinnig gestiegen? Das ist sehr einfach zu beantworten. Mieten richten sich nach Angebot und Nachfrage, das einfachste aller marktwirtschaftlichen Prinzipien. Gibt es ganz viel Angebot und nur wenig Nachfrage, stehen dummerweise die Wohnungen leer. Um überhaupt einen Mieter zu finden, senke ich also den Preis. Das gleiche passiert natürlich andersherum auch. Gibt es kaum Angebot, aber ganz viel Nachfrage, steigen die Preise. Relativ logisch. Regulativ könnte da natürlich die Politik eingreifen, die ja über den kommunalen Wohnungsbau eine Vielzahl an Behausungen für ihre Bürger stellt. 

 

Ah, Moment. Da lag ich falsch. Berlin ist da ja einen etwas anderen Weg gegangen und hat vor einigen Jahren das Tafelsilber verscherbelt. Von den fast 500.000 landeseigenen Wohnungen wurde ungefähr die Hälfte verhökert. Aber die rot-rote Regierung hat dabei doch sicherlich die armen Mieter bevorzugt? Ach nee, das ganze ging im Paket an Finanzinvestoren. Naja, dann geht das wahrscheinlich nicht anders. Oder etwa doch? 

 

Beispiel Wien: 62 Prozent der Bewohner der österreichischen Hauptstadt wohnen in einer kommunal geförderten Wohnung mit gedeckelten Mieten. Die Gemeindebauten gibt es in allen 23 Bezirken, also auch in Toplagen, gleich neben dem Stephansdom. Der Preis ist überall der gleiche. 5,80 Euro pro Quadratmeter, dazu kommen lediglich die Betriebskosten und zehn Prozent Steuern. Aber es gibt keine weiteren Aufschläge, keine Maklerprovision, keine Gebühren. Na, geht doch. Die anderen - privaten - Mietwohnungen unterliegen keinem Deckel.

 

Allerdings will ich nicht verschweigen, dass auch in Berlin seit 2010 der Bestand an kommunalen Wohnungen wieder steigt. Allerdings in einem Maße, der dem enormen Zuzug nicht gerecht wurde. Auch wenn der Berlin-Boom langsam abebbt, zogen zwischenzeitlich um die 50.000 Menschen in die Hauptstadt - und das pro Jahr. Das sind in etwa so viele wie in Tübingen, Marburg oder Unna jeweils leben. War das abzusehen? Ja! Hat Berlin reagiert? Nein! Wahrscheinlich schlummerte die Stadt gerade ihren Schönheitsschlaf, um sexy auszusehen.

 

Und noch einmal ein paar Zahlen: Bundesweit gehören Mietwohnungen zu mehr als zwei Dritteln Privatpersonen, in Berlin sind es nur 40 Prozent. Wie schon gesagt, auch der kommunale Anteil ist gering. Der Senat hat also sehenden Auges den Konzernen Tür und Tor geöffnet oder, wie oben bereits erwähnt, die Wohnungen mundgerecht auf einem Silbertablett serviert. Gerade als ehemaliger Wirtschaftsjournalist bin ich kein Freund der Konzerne. Mehr als einmal habe ich mich mit den profitgierigen Praktiken beschäftigt. Auch, was den Immobilienmarkt in Berlin anbelangt.

 

Viele der raren Bauflächen blieben bewusst eine Brache, weil sie als Spekulationsobjekt mehr Profit brachten, als bewohnt. So vervierfachten sich beispielsweise die Bodenpreise im Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg um das Vierfache - in nur einem Jahr. Oder der Steuertrick „Share Deals“. Dabei werden nicht einzelne Wohnungen, sondern Anteile an Firmen verkauft. Diese haben oft Hunderte von Immobilien, aber keinen einzigen Mitarbeiter. Der Vorteil dieser Geschäfte: Grunderwerbsteuer – in Berlin sind das sechs Prozent – wird nur minimal fällig, weil ja auf dem Papier eine Firma und keine Immobilie verkauft wird. Könnte man gegen vorgehen. Will man sogar auch. Das steht zumindest im Koalitionsvertrag. Hat man es bereits getan? Öh, nö!

 

Kurzes Zwischenfazit: Die Misere auf dem Immo-Markt ist offensichtlich hausgemacht, angerichtet von genau den Politikern oder zumindest Parteien, die jetzt den Mietendeckel als den großen Wurf bezeichnen. 

 

Trotzdem ernten die Politiker Applaus. Denn endlich trifft es mal die Richtigen, die da oben, die Bonzen! Ja, das Gesetz trifft auch die meist ausländischen Immobilienkonzerne, die sich Haus um Haus in Berlin unter den Augen des Senats unter den Nagel gerissen haben und mit den Mietern Monopoly spielen. Aber hätte man das nicht auch anders regeln können? Natürlich! Andere Länder machen es vor: Sie verbieten ausländischen Investoren den Einstieg in den heimischen Immobilienmarkt. Beispiel Neuseeland - dort dürfen nur noch Einheimische Immobilien kaufen. Klingt jetzt erst mal nicht so kompliziert. Man müsste halt Eier haben! 

 

Aber zurück zur Frage: Wem nutzt der Mietendeckel? Die Mieter sind es mit ziemlicher Sicherheit nicht. Jedenfalls nicht langfristig. Wohl aber der rot-rot-grünen Regierung (die ich sogar selbst mitgewählt habe). Sie verteilt mal eben Geschenke an das Volk - auf Kosten anderer.

 

Aber den Mietern kann das ja egal sein, wer für ihre Zeche zahlt. Sie haben schließlich jetzt mehr Kohle in der Tasche. Jein! Auch wenn der Mietendeckel seit Montag gilt, sollten die Mieter die gesparte Kohle nicht verjubeln. Denn noch steht eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes aus, die Mitte des kommenden Jahres gefällt werden soll. Kippt das oberste deutsche Gericht den Berliner Alleingang, müssen die Mieter die gesparte Miete zurückzahlen. Können sie das nicht, droht eine Zwangsräumung. Darauf weist auch der Senat hin. Ist ein bisschen so wie Weihnachten Geschenke unter den Baum legen, ausgepackt werden dürfen sie aber nicht. Aber hey, die Geste zählt. 

 

Nach meiner Erfahrung mit Berlin wage ich aber zu bezweifeln, dass sich jeder daran hält, die Plätzchen anzuschauen, aber nicht daran zu naschen. Im Radio lauschte ich bereits einem Bericht, in dem einige Mieter freudig erregt erzählten, wie sie die gesparte Miete nun verpulvern wollen. Tatsächlich sagte einer, er wolle die Kohle an Silvester in die Luft jagen. Damit bin ich eigentlich wieder beim dritten kaltgepressten Kaffe oder dem nächsten Bier und dem Grund, warum die Eigentumsquote so niedrig ist. Dit is Berlin, wa? Keene Kohle für Miete, aber mal eben nen Hunni in die Luft jagen.

 

Zurück zu der These, dass der Mietendeckel den Mietern später noch auf die Füße fallen wird. Warum das so sein sollte? Die einfachste Erklärung wäre, dass noch nichts, was der Senat in letzter Zeit angepackt hat, jemals Erfolg hatte. Es wäre jetzt sehr platt, die drei großen Buchstaben vor den Toren Berlins als Beleg anzuführen. Also lasse ich es. Und versuche es lieber sachlich. Private Vermieter werden plötzlich vor sehr großen Problemen stehen. Die durchschnittliche Rendite einer vermieteten Wohnung lag bis Montag bei zwei Prozent. Das ist etwas mehr als nichts. Seit Montag ist die Zahl tiefrot. Konkret zu meinem Fall: Ich habe vor zweieinhalb Jahren Deutschland den Rücken gekehrt, den Job gekündigt und lebe auf einem Segelboot in der Türkei. Klingt wieder nach Bonze, ist es aber nicht.

 

Die erste Zeit kann ich gut von meinen Reserven leben, aber sie schmelzen mit jedem Monat. Aus dem Hügel ist ein Häufchen geworden. Ich bin kein Privatier, ich muss nach wie vor für meinen Unterhalt arbeiten. Ich hatte einen Plan, und der schien sogar aufzugeben. Als Freiberufler schreibe ich Texte. Mal journalistisch, mal Bücher. Ich habe mir mein neues Leben selbst ausgesucht und den Entschluss keinen Tag bereut. Alles ist fein. Warum ich mir das leisten kann, liegt vor allem daran, dass ich versuche, kaum etwas auszugeben. 400 Euro im Monat für Lebenshaltungskosten - mehr ist nicht drin. In einem Land wie der Türkei lebt man damit auch sehr gut. Kein Grund zur Klage. Aber der Spielraum ist klein. Ich habe mit diesen Summen kalkuliert, mein persönliches Konzept daran orientiert. Die Werte, die ich hatte, waren Fixwerte, dachte ich zumindest, basierend auf langfristigen Verträgen - mit der Bank und mit meinen Mietern. 

 

Und dann kommt der Berliner Senat, der so ziemlich nichts in den vergangenen Jahren auf die Kette gekriegt hat, der für die Misere auf dem Wohnmarkt verantwortlich zeichnet, und greift mir in die Taschen, um mein Geld als Geschenk an Wähler zu verteilen. Muss ich das gut finden? Sicherlich nicht. Ganz abgesehen von der persönlichen Betroffenheit, ich finde das Zeichen, was von dem Mietendeckel ausgeht, absolut schädlich und schändlich für den Wirtschaftsstandort Berlin. Würde ich vor der Wahl stehen, irgendwo zu investieren, würde ich sicherlich nicht Berlin wählen. Wer weiß, welches Geschenk unfähige Politiker als nächstes verteilen wollen? 

 

Selbst mein Mieter war peinlich berührt, als er mich auf den Mietendeckel ansprach.  Als Vermieter hatte ich schlicht vergessen, ihn zu informieren, wie es meine Pflicht gewesen wäre. Aber ganz ehrlich, in der Türkei hatte ich den Mietendeckel einfach nicht auf dem Schirm. Der erste Schritt, der Stopp der Mietenanhöhung, war völlig korrekt. Dass es aber zu einer Art Enteignung light kommt, hatte ich nicht erwartet. Mein Mieter sagt selbst, dass er die gegenwärtige Miete für vollkommen gerechtfertigt findet. Aber ich habe natürlich vollstes Verständnis dafür, dass er im Falle, dass das Verfassungsgericht dem Gesetz zustimmt, die ihm zustehende Mietminderung bekommt. Auch rückwirkend. 

 

In dem Mietendeckel-Rechner, den der Senat stolz auf seiner Webseite präsentiert und als verbindlich bezeichnet, habe ich geschaut, um wieviel ich die Miete senken müsste. Es wären mehr als 200 Euro im Monat - also die Hälfte meiner persönlichen Lebenshaltungskosten. Der willkürlich festgesetzte Deckel  resultiert auf der Lage der Wohnung plus sehr wenige Zusatzangaben wie beispielsweise Einbauküche. Irgendein Verwaltungsbeamter legt also fest, wie viel Geld er mir aus der Tasche klauen darf. Egal, was die Wohnung bietet, egal in welchem Zustand sie ist. Wohnung ist Wohnung. Jawoll, Herr Genosse!

 

Nach dem Rechner des Senats liegt die Mietobergrenze meiner Wohnung demnach bei  538,99 Euro, auf den Quadratmeter umgerechnet also bei rund sieben Euro. Berlin, Du bist so wunderbar!

 

Sieben Euro? Ehrlich? Damit spielt die ach so tolle Hauptstadt, die es doch mit jeder anderen Stadt in der Welt aufnehmen kann, in einer Liga mit Buxtehude, Wanne-Eickel und Oberuckersee (wobei selbst in Buxtehude die Durchschnittsmieten höher sind).

 

Auch wenn die Mietsteigerung in Berlin in den letzten Jahren so stark gestiegen ist, wie kaum in einer anderen Stadt, ist die Realmiete im Vergleich zu anderen Städten immer noch - ja - günstig. So ziemlich jede Großstadt in Deutschland ist teurer. Im Vergleich mit den internationalen Städten, in deren Reihe sich Berlin so gerne sieht, erst recht. 

 

Wie der Tagesspiegel berichtet, zahlen Mieter sogar in Deutschlands teuersten Städten im Vergleich zu ihren Leidensgenossen in anderen europäischen Ballungsräumen noch vergleichsweise wenig. In den Beispielen sind die Bestandsmieten eingerechnet, nicht nur die Preise neu vermieteter Wohnungen. Paris liegt danach mit knapp 28 Euro pro Quadratmeter im europäischen Vergleich nach wie vor an der Spitze, gefolgt von Oslo (25,30 Euro) und Trondheim (21,30 Euro) in Norwegen. Auch in Osteuropa ist Wohnen mancherorts teurer als in Deutschlands Metropolen, etwa in Warschau, Prag und Budapest.

 

Aber warum in die Ferne streifen. Nach dem neuen Mietendeckel ist die Miete in dem Berliner Szenekiez Friedrichshain günstiger als in allen deutschen Städten, in denen ich bereits gewohnt habe. In Hamburg liegt die Durchschnittsmiete bei 13,72 Euro, in Düsseldorf bei 13,36 Euro, auch in Würzburg zahlen Mieter im Schnitt 12,10 Euro und selbst in Celle, der niedersächsischen Provinzperle, in der ich aufgewachsen bin, werden acht Euro fällig. 

 

Nun gut. Fest steht, wird der Mietendeckel vom Verfassungsgericht abgesegnet, geht mein Finanzierungskonzept nicht auf. Mit den rund 300 Euro, die ich dann monatlich in die Bude stecken müsste, könnte ich in der Türkei fast einen Monat leben. Die Frage ist: Was tun? Und damit komme ich auf den Bumerang zu sprechen, der den Mietmarkt von den Beinen holen wird. Die großen Konzerne haben es bereits angekündigt. Sie werden in ihre Wohnungen nicht mehr investieren, das heißt, die Bausubstanz wird leiden, Wohnen wird hässlicher. Auch haben die Konzerne einen Baustopp angekündigt. Wohnen rechnet sich schlicht nicht mehr. Die dringend benötigten Wohnungen werden nicht mehr entstehen, dafür aber sicherlich ein florierender Schwarzmarkt (den es auch jetzt schon bei den Massenbesichtigungen der wenigen verfügbaren Wohnung gibt). Derjenige, der am meisten cash bietet, wird dann den Zuschlag bekommen.

 

Die großen Immobilienkonzerne werden, da bin ich mir sicher, bereits mit ihren Heerscharen an Anwälten, an Konzepten arbeiten, um die Gesetzgebung zu umgehen. Auf der Strecke bleiben die Privatvermieter. Deren Altersvorsorge. Und vor allem die Mieter.

 

Denn was macht man als Vermieter, wenn man als mit der Miete die Kosten nicht decken kann? Richtig! Man zieht zum Beispiel selbst dort ein. Denn es wird bundesweit kaum einen Ort geben, wo die Miete günstiger ist. Der Durchschnitt liegt nämlich bei rund 9,8 Euro pro Quadratmeter. Eigenbedarf nennt sich das. In drei Monaten müssen die Mieter draußen sein. Viel Glück bei der Wohnungssuche. Die ersten Eigenbedarfskündigungen haben Mieter bereits erreicht. 

 

Einige der Vermieter werden wirklich nach Berlin wechseln, andere werden die Wohnung leer stehen lassen, um sie dann später unvermietet verkaufen zu können. Denn mal ehrlich, eine Wohnung mit Mietern in Berlin ist wie ein Klotz am Bein. Der Verkauf einer leerstehenden Immobilie bringt immerhin noch  ordentlich Asche. Natürlich wird der Mietmarkt dadurch noch kleiner - und die Probleme werden immer größer. Viele der Wohnungen, die in Berlin verkauft werden, landen übrigens bei wohlhabenden Ausländern - bei Russen, Schweizern oder Briten, die aus Angst vor dem Brexit ihr Kapital lieber in Deutschland investieren, und für die Berlin immer noch ein Schnäppchen ist. Als Zweit- oder Ferienwohnung. Denn eine Bleibe in Berlin, die ist wirklich sexy. 

 

Ich warte erst mal ab. Langfristig auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts, kurzfristig darauf, dass der Senat und die von ihm beauftragte Investitionsbank Berlin ihr Serverproblem in den Griff bekommt. Ich will einen Antrag auf Härtefallregelung stellen. Dann wäre ich von dem Mietendeckel nicht betroffen. Cool, denke ich noch. Dann zahlt Berlin die Differenz für meinen Mieter. Hahaha, nein natürlich nicht. Der hat dann halt eben Pech. So weit geht die Bürgernähe des Senats dann doch nicht. Beim eigenen Portemonnaie ist Schluss mit lustig. 

 

Aber immerhin gibt es die Härtefallregelung, die dann eintritt, wenn die Wohnung keinen Profit abwirft. Vielleicht klappt es ja. Aber leider komme ich bei der Anmeldung nur bis zu dem Verweis, dass „aufgrund der sehr hohen Nachfrage die Anmeldung momentan nicht möglich“ ist. „Nutzen Sie bitte die Tagesrandzeiten zur Antragstellung, da die Server dann weniger stark belastet sind“, teilt die Bank mit.

Berlin, Du bist so armselig! Nicht einmal einen Server bekommst Du zum Laufen…

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