Abgerechnet wird zum Schluss

Seit einer Woche wohne ich auf der Dilly-Dally, lebe mich ein, döse mittags in der warmen Sonne im Cockpit, esse abends im Beachclub der Marina, stärke mich für die Nacht mit ein bis zwei Bier, um mich dann im allnächtlichen Fightclub zu messen. Blut spritzt, Blessuren bleiben nicht aus, Beulen wachsen in Sekunden, um ebenso schnell wieder zu verschwinden. Nur die angelaufene und angeknackste Zehe, die glaubte stärker zu sein als der Türrahmen, schimmert auch am dritten Tag in einem dunklen Blaurot, wie ein guter Tropfen Bordeaux. Riecht nur nicht so gut. 

 

Der Fightclub ist ein ungerechter Kampf. Ich gegen Dutzende fliegende Maschinen, deren Motoren hell Surren und die Ohren umkreisen. Die Moskitos haben etwas von Hydra. Erledigt man eine, kommen zwei neue. Und so klatsche ich mich durch die Nächte, in der Hand das Verbrechen. Die neueste Ausgabe von „Stern-Crime“ entspricht ihrem Titel. Sie ist mittlerweile blutgetränkt. Das Magazin liest sich nicht nur gewohnt gut, es ist auch eine fantastische Waffe im Kampf um die verdiente Nachtruhe, die ich brauche, weil schon früh morgens die Arbeiten an der Dilly-Dally beginnen. 

 

Mittlerweile ist die Moody 425 nach meinen Vorstellungen gepimpt, ausgestattet für das autarke Leben an Bord. Ein neues Beiboot baumelt vergnügt wie eine Hollywoodschaukel am Heck, das neue Dach der Davits spendet nicht nur Schatten, sondern liefert auch den Saft, damit das Bier im Kühlschrank schön kalt bleibt. 3 x 120 Watt hat Brian, ein irischstämmiger Brite mit deutscher Frau, der seit Jahren in der Türkei lebt, installiert. Selten habe ich so eine so akkurate Arbeit gesehen. Die Kabel (für Strom und Antennen der Navigationsinstrumente) verlaufen in den Rohren der Davits, es gibt eine Seilwinde für das Hieven des Außenborders, Halterungen für Bootshaken oder Angeln und Platz für Rettungsringe und Tampen. 

 

Mit Peter, dem Yacht-Broker von Sunbird Yachting, hatte ich einen Glücksgriff gemacht. Während ich noch mal für zwei Wochen in Sankt Peter-Ording weilte, wickelte er den Kauf ab, überführte mit dem Vorbesitzer das Schiff vom Ankerplatz vor Marmaris in die Marina, regelte alle behördlichen Schritte, half, empfahl und beriet, wo er nur konnte. Er vermittelte Unterstützung für das leidige Transitlog, dessen Beantragung schnell in einem Behördenmarathon enden kann. So kostete es mich nur wenige Minuten und 135 Euro, nur wenig mehr, als hätte ich es selbst organisiert. Außerdem kümmerte sich Peter um den Bezug des Polsters in der Navigationsecke, das bereits ziemlich ausgefranst war. Ein neuer Bezug musste her. Sein Mitarbeiter düste mit dem Roller los, das Polster unter dem Arm. Einen Tag später war es fertig, top genäht und verarbeitet: der Preis 100 Türkische Lira, etwa 13 Euro. 

 

"ALTE LADY"

 

Nachdem ich Peter beim Kauf fragte, ob er mir helfen könne, einen Handwerker zu finden, der mir Davits samt Solaranlage montieren könne, rief er Brian an. Brian, sagte Peter, leiste hervorragende Arbeit, arbeite mit den besten türkischen Handwerkern vor Ort zusammen. Auch wenn er vielleicht etwas teurer sei, sei die Kommunikation mit ihm einfacher - und sein Kostenvoranschlag hätte Bestand. Nicht selten soll es vorgekommen sein, dass in Auftrag gegebene Arbeiten am Ende deutlich teurer würden als abgesprochen. Oder aber das Boot nach Fertigstellung nicht in den Originalzustand zurückgebracht würde. Bei Brian sei das anders. Sagte Peter. 

 

Brian von Tec Yachts Turkey und ich wurden uns schnell einig. Er kam zu Peter ins Büro und das erste, was der quirlige Brite machte, war, meine Vorstellungen nach unten zu korrigieren. Nicht nötig, nicht möglich, zu teuer. Sobald die Dilly-Dally im Hafen lag, vermaß Brian mit dem Schweißer das Boot, um die Bohrlöcher des Heckkorbs zu verwenden, kalkulierte und rechnete, erkundigte sich nach dem Gewicht des Beiboots und des Außenborders, während ich noch in Deutschland weilte. Er erstellte mehrere Kostenvoranschläge mit verschiedenen Optionen. Über Whatsapp versorgte er mich ständig mit dem Fortschritt der Arbeiten. 

 

Einen Tag benötigten Brian und seine türkischen Kollegen dann für die Montage der Davits und der Panele, dazu mussten wir die Yacht an einen äußeren Steg bringen, an dem geschweißt werden durfte (hier das Video). Brian nutzte gleich die Möglichkeit, mich mit den Marotten der „alten Lady“, wie er die Moody liebevoll nannte, bekannt zu machen. Denn gerade rückwärts in engen Häfen reagiert die Dame etwas zickig. Oder besser gesagt: erst einmal gar nicht. Brian hat selbst einmal für Moody gearbeitet, kennt die Schiffe in- und auswendig. Immer neue Runden ließ er mich im Hafen drehen, damit schon bald aus mir und ihr ein Traumpaar wird. 

 

DAS SCHWERGEWICHT

 

Nachdem die Davits montiert waren, begann aber erst die richtige Arbeit. Aus zwei wurden drei Tage (hier das Video). Auch weil wir nochmals den Steg wechseln mussten, Fahrstunde erneut inbegriffen. Um die Kabel der Solaranlage zu verlegen, mussten die Verkleidungen in der Achterkabine abgenommen, neue Kanäle gebohrt werden. Auch wenn ich bislang glaubte, die von der Werft in Plymouth angegebenen 17 Tonnen Gewicht würden der „alten Lady“ nicht gerecht, so belehrte mich Brian eines besseren. Selbst die Böden der Schränke bestehen aus einer ein bis zwei Zentimeter dicken Schicht Fiberglas, plus Holzverkleidung. 

 

Immer wieder bot ich meine Hilfe bei den schweißtreibenden Arbeiten an, aus versicherungstechnischen Gründen lehnte Brian dankend ab. Ich vermute mal, das war eine billige Ausrede. Er wollte einfach sein Werk nicht von Amateuren zerstören lassen. Die Akribie und Gelassenheit beeindruckten mich. Selbst die Halterungen der Kabel hinter der Verkleidung unter Deck befreite Brian erst vom Kleber („der hält nicht lange“), um sie dann fachmännisch mit Spezialkleber anzubringen, die Schrauben verbarg er hinter Holzpropfen, obwohl sie vorher auch nicht abgedeckt waren, er fertigte Sichtblenden aus Teak an - so dass die Achterkajüte jetzt hübscher ist als vorher. 

 

Die Verzögerung von einem Tag brachte Brian nicht aus der Ruhe. Immer wieder schwang er sich auf sein Rad, düste zum Bootsausrüster, um neue, noch bessere Teile heranzukarren. Ihm reichte nicht die Installation der Davits, er wollte das Beiboot hängen sehen - und die Vorrichtung zum Fieren anpassen (war gar nicht im Preis inbegriffen). Auch als das neue Beiboot geliefert wurde und sich herausstellte, dass das Dinghy gar nicht über die übliche Aufhängung verfügt, kräuselte Brain nur einmal kurz die Stirn. „Don’t worry. We’ll find a way.“ Am nächsten Morgen kam er lächelnd zur Dilly-Dally, bohrte und schraubte am Beiboot, bis er zufrieden war. Zwischenzeitlich inspizierte er den defekten Kühlschrank, der wie eine Diva zickte und nur hin und wieder mal arbeiten wollte. Kurzerhand organisierte einen Fachmann, der den kaputten Regler flugs austauschte. 

 

"MIT ALLES" 

 

Einen Tag länger als erwartet, auch wegen einiger Extrawünsche meinerseits, ich bestellte mir die Dilly-Dally wie einen Döner in Berlin, werkelte Brian von früh bis spät an der Dilly-Dally. Am Abend des vorletzten Tag kamen wir auf die Rechnung zu sprechen. Eine Anzahlung hatte ich bereits geleistet. Jetzt ging es um die Restsumme. „Ich werde die Rechnungen noch mal überarbeiten müssen“, sagte Brian trocken. Aufgrund der Wechselkursschwankungen habe es zwischen dem Angebot und der Bestellung Abweichungen gegeben. Zudem hatte ich im Vergleich zum Kostenvoranschlag noch einige Extras bestellt - wie den Regler der Solaranlage, der über eine App Leistungsdaten und Verbrauch der Batterien angibt. Eine nette Spielerei. Aber auch durchaus sinnvoll, wenn im türkischen Winter die Sonne einmal nicht so kräftig scheint. Auch ein lustiges Diodenlichtspiel am Regler verrät, ob die Anlage gerade den benötigten Strombedarf nutzt oder zudem die Batterie lädt. Oder eben auch Saft aus den Akkus zieht. Weil das Geblinke bei Nacht aber auch ein ziemliches Generve sein kann, klebte ich die Dioden ab. Brian sah das, entfernte das Klebeband und fertigte für die Dioden eine lichtundurchlässige Abdeckung an, die zum Ablesen der Anzeigen angehoben werden kann. „Sieht doch besser aus“, sagte er. Und er hatte natürlich Recht. 

 

Zudem hatte Brian für die Aufhängung des Beiboots und für die Seilwinde des Außenborders vier Doppelblöcke und zwei einfache Blöcke gekauft - und einen speziellen Tragegurt, der um den Außenborder gelegt werden kann, um ihn zu kranen, ohne dass Gefahr besteht, den Motor zu versenken. Immerhin wiegt das Biest so viel wie zwei Kästen Bier.

 

Im Kopf kalkulierte ich bereits, wie viel teurer die Rechnung wohl werden würde. Der Kostenvoranschlag für die Davits und Solaranlage samt Montage belief sich auf knapp 5300 Euro, ein Betrag, der mir angesichts des Materials, der Maßanfertigung und der exzellenten Ausführung als sehr günstig erschien. Was würde wohl jetzt noch hinzukommen? Schließlich hatten die Arbeiten auch einen Tag länger gedauert, unter anderem, weil das Boot mehrmals verholt werden musste. 

 

DIE ABRECHNUNG

 

Am nächsten Morgen sollte ich es wissen: Brian hatte noch einmal gerechnet. Inklusive der Extras belief sich die Differenz auf rund 100 Euro. Keine Mehrkosten. Sondern Kostenersparnis! Wie bitte? „Jep“, sagte Brian, „der Wechselkurs war günstiger. Daran kann ich mich ja nicht bereichern.“ 

 

So etwas habe ich noch nie erlebt! Ich bin Baff.

 

 

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